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Die Bewertungen
Kennst du das, wenn du im Urlaub bist, dich frisch verliebt hast oder gerade befördert wurdest. Du gehst dann morgens auf die Straße, alle Menschen scheinen dir wohl gesonnen zu sein, alle Ampeln stehen auf Grün und der Himmel ist ein klein wenig blauer als sonst. Dann gibt es aber auch die Tage, an denen gar nichts zu funktionieren scheint. Das Frühstück schmeckt nicht, auf dem Weg zur Arbeit siehst du nur schlecht gelaunte Menschen und im Radio läuft kein einziges Lied, das dir gefällt. Es ist ein und derselbe Tag. Weder das Wetter, noch die Menschen, die Ampelschaltung und schon gar nicht die Musik im Radio haben sich verändert. Allein deine Bewertung ist eine andere. Sie macht den Unterschied, ob dein Tag wie Himmel oder Hölle auf Erden ist. Das Leben ist wie ein Spiegel. Es reflektiert uns immer genau das, was in unserem Inneren vorgeht. Tragen wir negative Gefühle wie Sorgen, Angst oder Wut mit uns herum, erscheint uns die Welt ungerecht.
Das Davonlaufen
Ich möchte dir gerne eine kleine Anekdote aus meinem Leben erzählen. Im Alter von 23 Jahren wurde ich aus einem gut bezahlten Job gekündigt, eine Beziehung ging in die Brüche und mein Auto hatte wirtschaftlichen Totalschaden. Das alles geschah innerhalb von einer Woche. Zur gleichen Zeit haben einige Kilometer entfernt Hunderttausende Fußballfans am Brandenburger Tor das deutsche Sommermärchen gefeiert. Mit einem Mix aus Wut und Enttäuschung entschied ich mich recht spontan für ein Abenteuer. In Berlin hielt mich nicht mehr viel, also rein in den Flieger und weit weg nach Australien. Ein Jahr Work & Travel sollten mich auf andere Gedanken bringen. Wie Felix aus der Geschichte wollte ich sehen, was die Welt so zu bieten hat. Alles war neu und aufregend, ein wenig, wie frisch verliebt zu sein. Erst später begriff ich, dass ich mich in diesem Jahr ununterbrochen abgelenkt, mich aber keine einzige Sekunde mit mir selbst beschäftigt hatte. So schön das Jahr war, so fest saßen die Gefühle von Wut, Enttäuschung und Orientierungslosigkeit auch noch bei der Rückkehr. Zurück in Berlin stand ich dann sechs Jahre später, in 2012, vor dem Ende meines Masterstudiums in International Business. Ein gutes Angebot für eine Festanstellung hatte ich bereits, aber mich packte die Angst beim Gedanken daran, wieder so abhängig von einem Arbeitgeber zu sein. Also bin ich erneut weggerannt. Sehr weit. Bis nach Shanghai, wo ich mich kurz darauf auch selbständig gemacht habe. Jahrelang bin ich
als digitaler Nomade um die Welt gezogen, konnte an den schönsten Orten der Welt leben und arbeiten, tolle Menschen kennenlernen und meinem Drang nach Freiheit gerecht werden. Als dann Anfang 2017 eine lange Beziehung vor dem Aus stand, war ich wieder drauf und dran wegzurennen, mich abzulenken, mit immer neuen Orten, neuen Menschen und neuen Abenteuern. Glücklicherweise hat mir meine Intuition gesagt, dass weglaufen diesmal keine Option ist. All die Schmerzen, Frustrationen und Vorwürfe würde ich überall hin mitnehmen. Ganz egal, wie weit ich renne. Ich kann diese Gefühle vorübergehend betäuben, sie aber nicht totschweigen. Alle diese Gefühle wollen gefühlt werden. In der Einsamkeit und Ruhe bin ich dem Ursprung für die negativen Gefühle auf den Grund gegangen. Ich habe verstanden, dass niemand für mein Glück verantwortlich ist, außer mir selbst. Und ich habe auch verstanden, dass meine Beziehungen zu anderen Menschen, immer die Beziehung zu mir selbst widerspiegeln.
Der Blick nach Innen
Selten können wir etwas an der Umgebung oder an anderen Menschen ändern. Worauf wir aber immer einen Einfluss haben, ist unsere eigene Bewertung; die Brille, durch die wir sehen. Wenn ich verliebte Pärchen sehe oder die ganze Stadt voller Kinderwagen ist und ich dann abwertend darüber rede, trage ich vielleicht einen unerfüllten Wunsch in mir. Wenn ich jemanden abfällig anschaue, weil er bei Rot über die Ampel läuft, sollte ich vielleicht selbst öfter mal die Regeln brechen. Immer, wenn ich emotional auf etwas reagiere, dann gibt es einen Auslöser in mir. Jemand anderes drückt diesen Auslöser, das Problem ist aber mein eigenes. Wenn wir Schuldgefühle, nicht beendete Beziehungen, Wut auf den alten Arbeitgeber oder Trauer über einen verstorbenen Menschen mit uns herumtragen, beeinflusst das, wie wir andere Menschen sehen. Je weniger negative Gefühle wir mit uns herumtragen, desto sauberer wird der Spiegel, durch den uns die Welt da draußen unser eigenes Selbst widerspiegelt. Meine Bitte an dich ist, mal darüber nachzudenken, warum einige Menschen immer Glück zu haben scheinen und andere vom Pech verfolgt werden. Was ist der Unterschied zwischen Menschen wie Felix und Tristan? Versuche, bewusst im Alltag darauf zu achten, was dir widerfährt und was das mit deiner inneren Einstellung zu tun hat. Sicher findest du einige Parallelen.
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