Autor: Dr. rer. medic. Harald Stephan
[adinserter block=”2″] Als Thrombopenie bezeichnet man eine verminderte Anzahl von Blutplättchen (Thrombozyten) im peripheren Blut. Da diese für die Blutgerinnung zuständig sind, steigt mit zunehmendem Fehlen das Blutungsrisiko. Ein Thrombozytenmangel manifestiert sich zunächst mit blauen Flecken oder Zahnfleischbluten.Ursache sind Störungen der Blutbildung, ein erhöhter Verbrauch von Blutplättchen oder deren Entzug durch Vergrößerung der Milz. Die Therapie richtet sich nach der Krankheitsursache.
Referenzbereich der Thrombozyten
Die Normwerte für die Thrombozyten im Blutbild verändern sich im Laufe des Lebens dramatisch. Der Referenzbereich liegt bei
- Neugeborenen bei 100.000 bis 150.000 Thrombozyten pro Mikroliter,
- Jugendlichen zwischen 200.000 und 400.000 Thrombozyten/µl,
- Erwachsenen zwischen 150.000 und 250.000 Thrombozyten/µl.
Beim Erwachsenen spricht man bei Unterschreitung von 150.000 Thrombozyten/µl von Thrombopenie oder Thrombozytopenie, bei Werten über 500.000 Thrombozyten/µl von Thrombozytose.
[adinserter block=”2″]Während bei einer Thrombopenie vermehrte Blutungen auftreten, droht bei Thrombozytose eine Blutgerinnselbildung, die zu Thrombosen und Embolien führt. Diese gelten als Ursache für verstopfte Gefäße und Schädigung der minderversorgten Areale, wie sie bei Lungenembolie, Herzinfarkt und Schlaganfall auftreten.
Thrombopenie – Das Wichtigste auf einen Blick!
- Als Thrombopenie bezeichnet man einen Mangel an Blutplättchen.
- Ursache sind Störungen der blutbildenden Zellen, ein erhöhter Verbrauch oder ein Entzug durch pathologisch vergrößerte Milz.
- Die Folge eines Thrombozytenmangels ist eine erhöhte Blutungsneigung.
- Sie äußert sich anfangs vor allem mit Nasenbluten, Zahnfleischbluten und Blutergüssen.
- Zur Therapie muss man die Krankheitsursache beseitigen. Bis dahin lassen sich Blutungen durch Infusion von Thrombozyten-Konzentrat verhindern.
Einfluss einer Thrombopenie auf die Blutgerinnung
Die Blutplättchen sind wichtige Elemente der Blutgerinnung: Sobald ein Gefäß verletzt wird, kommt es zu einer Aktivierung der Gerinnungskaskade. Dabei verändern die Thrombozyten ihre kissenförmige Struktur und bilden hakenförmige Ausläufer, mit denen sie sich wie Kletten zusammenlagern. Ihre Anlagerung an die Gefäßwände und untereinander ist Voraussetzung für den primären Wundverschluss.
Daher wirkt sich eine Thrombopenie schnell auf die Blutgerinnung aus. Es bilden sich Hämatome, sobald sich der Patient nur stößt. Ebenso kommt es zu Zahnfleischbluten und Blutungen lassen sich nur noch schwer stillen.
Ursachen für eine Thrombozytopenie
Die Blutplättchen werden wie die anderen Blutzellen im roten Knochenmark gebildet. Mangels Zellkern überleben sie nur fünf bis neun Tage, bevor Milz, Lunge oder Leber sie aussortieren. Insbesondere die Milz kann erhebliche Mengen Blut und Blutplättchen speichern.
Ein Fehlen deutet darauf hin, dass sehr viele Zellen verbraucht werden, die Nachlieferung durch Beeinträchtigungen der blutbildenden Zellen stagniert oder eine pathologische Umverteilung im Körper Thrombozyten aus dem peripheren Blut entzieht.
Thrombopenie infolge Störungen der Blutbildung
Die Blutbildung und damit die Produktion von Blutplättchen wird durch Beeinflussungen des Knochenmarkes verändert. Zu den Ursachen zählen vor allem
- Blutkrebs (Leukämie)
- thrombotisch-thrombozytopenische Purpura mit lebensbedrohlicher Gerinnselbildung in Nieren und Gehirn
- Infektionen mit Viren
- Immunschwächevirus (HIV)
- Epstein-Barr-Virus (EBV)
- Hepatitis C-Virus (HCV)
- Parvovirus B19 (Ringelrötelnvirus)
- Infektionen mit Bakterien
- Helicobacter pylori
- Infektionen mit Einzellern
- Plasmodium falciparum (Malaria)
- Schädigung des Knochenmarks durch Chemotherapie und Bestrahlung bei der Krebsbehandlung
- chronische Immunthrombozytopenie (idiopathische thrombozytopenische Purpura)
- Einnahme von Medikamenten (Arzneimittel-induzierte Immunthrombozytopenie) – durch Bindung des Arzneimittels an Blutplättchen entsteht ein neues Antigen, das eine Immunreaktion auslöst und mit spezifischen Antikörpern die Thrombozyten angreift und zerstört.
- Heparin, ein Blutverdünner
- Hydrochlorothiazid, ein Schleifendiuretikum zur Blutdrucksenkung
- Antibiotika wie Sulfamethaxol, Rifampicin und Vancomycin
- Carbamazepin, ein Antiepileptikum
- Chinin, ein altes Malariamedikament
- Paracetamol als Schmerzmittel
- Chlorpropamid, ein Mittel gegen Diabetes
- Ranitidin, ein Antihistaminikum zur Regulation der Magensäureproduktion.
Thrombopenie durch hohen Verbrauch von Blutplättchen
Zu einer Thrombopenie kommt es, wenn ein Patient große Mengen an Bluttransfusionen erhält. Diese Infusionen führen zu einer übermäßigen Verdünnung vorhandener Blutplättchen.
Andererseits sinkt der Thrombozytengehalt des Blutes, wenn es verstärkt zu Blutungen oder anderen Formen eines hohen Verbrauchs von Blutplättchen kommt. Ursächlich sind hier
- massive Blutungen
- Zerstörung von Blutplättchen infolge der Turbulenzen nach Implantation künstlicher Herzklappen
- Blutvergiftung (Sepsis)
- Zerstörung von Blutplättchen durch
- Immun-Thrombozytopenie
- hämolytisch-urämisches Syndrom
- Präeklampsie und HELLP-Syndrom in der Schwangerschaft
- Gestationsthrombozytopenie – betrifft 5 Prozent aller Schwangerschaften und führt zu erhöhten Thrombozytenumsatz; sie ist nicht behandlungsbedürftig.
- Verbleiben bei akutem Atemnotsyndrom (ARDS), das beispielsweise bei schweren Verläufen von COVID-19 auftritt, viele Thrombozyten in den Lungenkapillaren, führt das ebenfalls zu Thrombopenie.
Thrombozytopenie durch Umverteilung des Blutes
Die Milz dient als Speicherort von Blutzellen. Pathologische Veränderungen infolge Sichelzellanämie und Infektionen mit Pneumokokken führen zu einer Milzsequestration, bei der sich das Organ akut vergrößert und schmerzhaft auf Druck reagiert. Dabei werden Blutzellen aus der Peripherie abgezogen und es kommt zu Thrombopenie, Retikulozytose sowie Abfallen des Hb-Wertes und hypovolämischem Schock.
Symptome bei Thrombozytopenie
- Erste Anzeichen sind Blutergüsse (Hämatome) in der Unterhaut.
- Darüber hinaus kommt es zu Petechien, stecknadelgroßen Einblutungen, die bevorzugt an den Unterschenkeln auftreten.
- Monatsblutungen fallen ungewöhnlich schwer aus.
- Schnittverletzungen und andere Blutungen lassen sich nur schwer stillen.
- Zahnfleischbluten und
- Nasenbluten gehören zu den häufigen Symptomen.
- In fortgeschrittenen Stadien findet sich Blut im Urin und im Stuhl.
- Schlimmstenfalls drohen innere Blutungen, vor allem des Gehirns, die zu einem ischämischen (blutungsbedingten) Schlaganfall führen.
Behandlung der Thrombopenie
Ein Fehlen von Blutplättchen ist keine eigenständige Erkrankung, sondern eines der Symptome einer Vielzahl von Erkrankungen. Diese gilt es zu heilen; ist das gelungen, normalisieren sich auch die Thrombozytenwerte.
Während dieser Zeit sollte man blutverdünnende Medikamente wie Acetylsalicylsäure (ASS) und andere nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) sowie Phenprocoumon (Marcumar) absetzen, da diese die Blutungsneigung noch weiter verstärken.
Bei einer hochgradigen Thrombopenie egal welcher Ursache lassen sich drohende Blutungen durch die Transfusion von Blutplättchen (Thrombozyten-Konzentrat) verhindern.
Lebensbedrohlicher Entzug von Blutplättchen durch eine krankhaft veränderte Milz lässt sich durch Volumensubstitution, Transfusion von Thrombozyten und im Extremfall durch operative Entfernung der Milz (Splenektomie) beheben.
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