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Die Macht der Worte
Diese Geschichte stammt von Jorge Bucay, einem argentinischen Psychiater und Autoren. Ich möchte dir noch eine andere kurze Geschichte erzählen, die vorerst kein Happy End hatte. Vor ein paar Wochen saß ich in der Berliner S-Bahn und habe ein Gespräch zwischen einer Mutter und ihrer Tochter mitgehört. Das Mädchen muss so 12 oder 13 Jahre alt gewesen sein. Sie erzählte ihrer Mutter mit strahlenden Augen, dass sie Ärztin werden möchte. „Schatz, dafür sind deine Noten nicht gut genug“, antwortete ihre Mutter mit einem abschließenden Vortrag über die allgemeine Fachholschulreife. „Dann werde ich vielleicht Hebamme“, sagte die Kleine schon mit etwas weniger Begeisterung. „Süße, Hebammen werden nicht mehr festangestellt. Und als freiberufliche Hebamme musst du dich selbst krankenversichern und eine Berufshaftpflicht abschließen.“ Ich bin weder Psychologe noch Vater, bin mir aber sicher, dass das Mädchen in Zukunft ihre Träume für sich behalten wird. An die Selbständigkeit wird sie wohl auch nicht so schnell wieder denken. Solche Gespräche, wie ich es in der S-Bahn gehört habe, machen mich traurig. Sie sorgen dafür, dass viel zu viele erwachsene Menschen lieber Regeln folgen, anstatt ihrer Intuition zu vertrauen. Was passiert, wenn Kindern keine Grenzen durch Erwachsene gesetzt werden, hat die Geschichte des kleinen Pancho eindrucksvoll gezeigt.
Wie Worte unbewusst nachwirken
Kannst du dich noch an deine Kindheit erinnern? Mir kommen immer mal wieder Bruchstücke ins Gedächtnis. Die Hand auf die heiße Herdplatte, beim Kippeln mit dem Stuhl umgekippt oder beim Klettern vom Baum gefallen. Das, was Kinder eben so machen, wenn sie voller Neugier die Welt entdecken. Wenn mir meine Musiklehrerin mal wieder gesagt hat, dass ich nicht singen kann, oder mir der Computer bei der Berufsberatung ausspuckt, dass Buchhalter der perfekte Job für mich wäre, dann stirbt ein kleiner Teil in mir. Wenn mir Erwachsene erzählt haben, dass Geld stinkt, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt und dies und jenes nicht geht, dann bleibt das hängen. Daraus werden Glaubenssätze, die im schlimmsten Fall dafür sorgen, dass ich mir im Erwachsenenalter nicht erlaube, erfolgreich oder glücklich zu sein. Kleine Kinder kennen keine Grenzen. Alles ist möglich. Dann haben uns Erwachsene erzählt, wie gefährlich, unrealistisch oder naiv unsere Handlungen sind. Wenn wir das einmal zu oft gehört haben, hören wir auf damit, neugierig zu sein. Die Grenzen wurden immer enger. Heute wissen wir um all die Gefahren und Möglichkeiten. Wir haben alles gesehen und aufgehört, zu hinterfragen. Dann fangen wir an damit, unsere eigene beschränkte Welt anderen Menschen, vor allem Kindern, überzustülpen. Einem anderen Menschen zu sagen, dass er nicht singen kann, dass er faul ist oder sich von seinen naiven Träumen trennen sollte, hinterlässt Narben. Für den, der sie ausspricht, mögen die Worte keine große Bedeutung haben. Für den Empfänger sind es Waffen. Deshalb habe ich heute zwei Bitten an dich. Erstens, bitte gehe sorgfältig mit deinen Worten um. Sage anderen Menschen, und vor allem Kindern nicht, was sie können und nicht können. Das finden sie von ganz alleine heraus. Zweitens, erinnere dich mal an deine Kindheit. Welche Sprichwörter und Phrasen hast du immer wieder gehört? So oft, dass sie ein Teil von dir geworden sind? So oft, dass du sie heute weitergibst, ohne sie wirklich zu glauben. Ich habe lange gebraucht, um meinen negativen Glaubenssätzen auf die Spur zu kommen. Noch länger hat es gedauert, sie zu entkräften, indem ich positive Gegenbeispiele gesucht habe. Aber es war die Mühe wert, denn ohne diese fiesen Stimmen in meinem Kopf lebt es sich deutlich leichter.
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