Zwar ist mit dem Cannabisgesetz (CanG) eine teilweise Legalisierung von Marihuana in Deutschland auf dem Weg, viele Fragen sind deshalb aber weiterhin ungeklärt oder zumindest diskussionswürdig. Das zeigte sich nicht zuletzt auf dem 1. Deutschen Cannabis Rechtstag in Frankfurt am Main.
Er fand in den Räumlichkeiten der dfv Mediengruppe in Frankfurt am Main statt. Veranstalter war die „ZLR – Zeitschrift für das gesamte Lebensmittelrecht“. Unser CEO Ulrich Walter war vor Ort und war nicht zuletzt von den hochkarätigen Sprechern und den interessanten Diskussionen begeistert.
„Die unterschiedlichen Meinungen und Erwartungen zur künftigen Entwicklung des Cannabis-Marktes in Deutschland machten erneut deutlich, wie wichtig eine baldige Klarheit bei der Legalisierung ist“, erklärte er. Es bestehe eine große Unsicherheit, die Entscheidungen und Investitionen verzögere. Unterschiedliche Urteile verschiedener Gerichte bei vergleichbaren Fällen führten zu einer zusätzlichen Verunsicherung.
Es gibt also weiterhin viele offene Fragen. Die folgenden stachen dabei besonders hervor:
Sind die geplanten Cannabis Clubs zu groß?
Das Cannabisgesetz sieht zwei legale Quellen vor: den Eigenanbau sowie die „Anbauvereinigungen“, landläufig als Cannabis Clubs bekannt. Sie müssen zahlreiche Regeln und Vorschriften beachten und können bis zu 500 Mitglieder haben. Alfredo Pascual stellte auf dem Rechtstag allerdings in Frage, ob diese Größe sinnvoll ist. Schließlich schreibt das Gesetz außerdem vor, dass alle Mitglieder beim Anbau helfen sollen. Der Cannabis-Anbau in solchen Mengen ist aber nicht gerade simpel. In Uruguay haben diese Vereinigungen beispielsweise 15 bis 45 Mitglieder. Seine Empfehlung: Weniger Mitglieder und dafür auch weniger Vorschriften.
Dürfen Cannabis Clubs wirklich kein Geld verdienen?
Cannabis Clubs sollen als Verein organisiert werden. Und damit befinden sie sich in guter Gesellschaft: Im April 2022 waren über 615.000 im deutschen Vereinsregister eingetragen. Das ging aus dem Vortrag von Alfredo Pascual, Felix Hofreither und Lito Michael Schulte hervor.
An sich sollen die „Anbauvereinigung“ dabei keine Gewinne erwirtschaften. Der Vortrag zeigt allerdings auf, dass es indirekt eben doch geht oder es zumindest Mittel und Wege gibt, dieses Korsett zu lockern.
So verwiesen die Vortragenden etwa darauf, dass Vereine neben dem Hauptzweck auch wirtschaftliche Aktivitäten betreiben dürfen – wie etwa die Lizenzspielerabteilung im Fußball. Diese müssen allerdings dem nicht-wirtschaftlochen Hauptzweck „dienen“ und „untergeordnet“ sein. Das ist das „Nebenzweckprivileg“.
Hinzu kommt das „Kostendeckungsprivileg“: So darf der Verein natürlich dafür sorgen, dass er keine Verluste macht. Das kann im Eigenbetrieb erfolgen auch auch durch Beteiligungen an Gesellschaften: Man denke hier an Vereinsgaststätten. Ziele müsse hier „die finanzielle Unterstützung des ideellen Vereinszwecks durch die generierten Einnahmen im Zweckbetrieb“ sein.
Ist das Werbeverbot für Cannabis sinnvoll und haltbar?
Dr. Simon Hembt und Dr. Niels Lutzhöft wiederum sprachen von einem Paradox: Einerseits wird Cannabis für den privaten Konsum entkriminalisiert, aber Werbung ist gleichzeitig verboten. Cannanbis Clubs etwa dürfen nur „sachliche Informationen“ verbreiten. Was damit genau gemeint ist und wo die Grenzen zur Reklame liegen, ist zum heutigen Zeitpunkt nicht klar. Zudem stellt sich laut der Vortragenden die Frage, inwieweit ein Werbeverbot gegen die freie Berufsausübung und die persönliche Freiheit verstößt.
Sind 5 Jahre für die Pilotprojekte (Säule 2) zu kurz?
Eigenanbau und Cannabis Clubs sind nur die erste Säule. Eigentlich soll es noch eine zweite geben: wissenschaftlich begleitete Modellprojekte in ausgewählten Regionen Deutschlands. Hier würde eine umfassendere Legalisierung von Cannabis erprobt. Produkte wären dann etwa in Apotheken oder spezialisierten Geschäften erhältlich, wie man es aus anderen Ländern und Regionen der Welt kennt, in denen Cannabis bereits freigegeben ist.
Diese Modellprjekte sollen Daten und Fakten liefern, um die politische Diskussion vor allem auf europäischer Ebene voranzutreiben. Denn das eigentliche Ziel der aktuellen Bundesregierung ist es weiterhin, Cannabis vollständig zu legalisieren.
Diese Projekte sind auf fünf Jahre angelegt. Hier hieß es auf dem Rechtstag, dass große Unternehmen dann sehr wahrscheinlich nicht investieren würden. Denn die brauchen einen Investitionshorizont von mindestens 10 Jahren.
Insgesamt herrschte große Skepsis, dass die zweite Säule überhaupt kommt. Eigentlich sollte ein entsprechender Gesetzentwurf inzwischen vorliegen. Davon ist aber nichts zu sehen.
Das Bundesgesundheitsministerium erklärte auf Nachfrage von yippy GREEN lediglich: „Das Konzept zur inhaltlichen Ausgestaltung der zweiten Säule einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu nicht-medizinischen Zwecken wird innerhalb der Bundesregierung derzeit erarbeitet.“ Zum jetzigen Zeitpunkt könne man keine weiteren Details nennen.
Weitere Themen
Viele weitere Themen wurden auf dem Rechtstag diskutiert, wie etwa die Probleme mit Banken: Cannabis-Unternehmen haben es schwer, eine langfristige Geschäftsbeziehung aufzubauen. Eine Person erklärte, allein in den letzten 12 Monaten hätten vier Banken gekündigt.
Ein Problem bei medizinischen Cannabis ist wiederum die zu große Vielfalt: 200 Blütenprodukte gebe es hier schon, hieß es. Das überfordere viele Ärzte und verleite Patienten dazu, immer wieder etwas Neues auszuprobieren.
Kritisiert wurde auch, dass im MedCanG geregelt ist, dass Cannabis nur verschrieben werden dürfe, wenn andere Therapien ausgeschlossen sind. Wo bleibe hier die Hoheit der Ärzte?
Oder auch: Gibt es einen Bestandsschutz für Cannabis Clubs? Was passiert etwa, wenn nach dessen Gründung eine Kinder- oder Jugendeinrichtung innerhalb der 200 Meter Bannzone eröffnet wird?