Ich hatte schon immer ganz klare Vorstellungen davon, wie ich meine Schwangerschaft durchleben wollte. Natürlich mit supergesundem Bio-Essen, einer achtsamen, täglichen Yogapraxis und wunderbaren Meditationen, in denen täglich ich mit meinem Baby kommuniziere. Dazu den lieben langen Tag Mantras singen und mir Massagen gönnen, schwimmen gehen und weiterhin ins Fitnessstudio, um den mühsam mit vielen, vielen Squats antrainierten Hintern nicht innerhalb weniger Wochen loszuwerden. Denn auch vor der Schwangerschaft hatte ich mich lange, lange mit Yoga, Kundalini Kriyas, Detox Kuren und liebevollen Affirmationen auf dieses wahnsinnig tolle Erlebnis vorbereitet (dazu folgt noch mal ein eigener Artikel). Nur fühlte ich mich, plötzlich schwanger, auf einmal gar nicht mehr so toll.

In den ersten Wochen nachdem sich der Stick blau verfärbt hatte, sah meine Realität allerdings komplett anders aus. Meine schöne Vorstellung von der schwangeren Yogini, die ich sein wollte, und dem, was tagtäglich bei uns zuhause abging, waren zwei verschiedene Welten.

  • Ich wollte nur eins: Rumliegen. Sogar sitzen war zu anstrengend. Ich wollte auch nicht meditieren, sondern Grey’s Anatomy und Girls gucken. Ich war quasi wie ein sehr, sehr fauler Teenager. Dazu auch noch sehr störrisch, fast trotzig, Opfer meiner Hormone und sehr nah am Wasser gebaut. Eine wirklich schöne Kombination, dachte sich wahrscheinlich auch mein Mann.
  • Gesund essen war, wenn es selbst gekocht sein sollte, unmöglich. Nur, wenn ich außerhalb etwas essen ging. Ich war viel zu schlapp, um den Kochlöffel zu schwingen, mir war ständig schlecht und mein Körper wollte eigentlich nur Kohlenhydrate.
  • Grüne Smoothies? Pfui Bäh! Ayurvedischer Porridge zum Frühstück? No thanks! Ich habe den Variety Pack von Kelloggs besonders geliebt in den ersten Wochen. Ich wollte abwechselnd Smacks, Honeynut Loops, Rice Crispies und Coco Pops essen. Alternativ ein schönes Buttercroissant. Zu Mittag dann Kartoffeln, wenn nötig mit etwas Gemüse, und Abends eine dicke Portion Pasta.
  • Schwangerschaftstee? Stilles Wasser, mit Edelsteinen versetzt? Fehlanzeige. Als ich mit YogaEasy.de auf Korfu war, habe ich mich zwar zu Wasser gezwungen, aber musste jeden Nachmittag eine Cola haben. Yes, that’s right. Und nein, ich wollte keine Fritz Cola oder Afri Cola, um mir die Sache schönzutrinken. Ich wollte Coca Cola, das Getränk aus der Hölle. Irgendwann war es mir so peinlich, dass ich meine tägliche Coladose an allen vorbeischmuggeln wollte, um sie dann heimlich zu trinken – und wurde natürlich prompt von Yogalehrerin Kristin Rübesamen dabei erwischt. Zum Glück konnte ich alles auf das gefräßige Baby schieben.
  • Eine kontinuierliche Yogapraxis? Wie eben schon erwähnt, fand ich sogar Meditieren im Sitzen eine Zumutung. Im Liegen schon eher, wenn da nicht das lästige Nickerchen wäre, das sich nach kurzer Zeit einstellt. Von flotten Vinyasa Flows ganz zu schweigen! Alles viel zu anstrengend! Meine letzte, herausfordernde Klasse war mit Patrick Broome auf dem Korfu Retreat Anfang Oktober. Ich war in der 10. Schwangerschaftswoche und hatte gerade die Phase hinter mir gelassen, in der mir ständig speiübel war. Die Class hab ich noch ganz okay hinter mich gebracht, aber danach hast du mich nur noch in den Klassen von Anna Trökes und bei den Meditationen von Kristin Rübesamen gesehen. Was mich letztendlich wirklich beim Vinyasa gestört hat, war dass ich die ganze Zeit mitdenken musste – und mich plötzlich trotzdem in einem Drehsitz oder einem getwisteten Lunge wiedergefunden habe. Nicht gut. Das Fallenlassen war nicht mehr möglich und somit hatte ich auch keinen Spaß mehr.
  • Meine Arbeitsmoral war quasi nicht mehr vorhanden. Ich habe mit allergrößter Mühe am Morgen 5 Mails beantwortet und irgendwie, frag mich nicht wie, die Bestellungen aus dem Happy Mind Shop fertig gemacht, die mein Mann für mich zur Post brachte, damit ich wieder aufs Sofa konnte. Arbeitszeiten waren morgens von 9 – 10 Uhr, dann Schläfchen halten, dann Mittag essen gehen, wieder Schläfchen halten, dann noch mal arbeiten von  16-17 Uhr. Danach wohlverdienten Feierabend einläuten. Meinen externen Auftraggebern hatte ich zum Glück schon Ende des Sommers den Laufpass gegeben, um mich vollständig dem Projekt “Happy Mind Magazine” widmen zu können. Thank god! Sonst wäre meine neue Arbeitsmoral wohl nicht so gut angekommen.

Anfangs hab ich mich für meine Faulheit sehr geschämt. Habe das schlechte Gewissen im Kopf hin – und hergeschoben. Habe sie mit meinem Mob an holistischen Beratern ausführlich besprochen, mich von ihnen besänftigen lassen: Das ist alles ok so.  Und irgendwann gemerkt: Schwangersein ist Ausnahmezustand. Man stelle sich vor: Du puzzelst in deiner Gebärmutter ein vollständiges Menschenkind zusammen. Mit Herzschlag, mit pumpenden Lungen, mit einem denkenden Gehirn, mit einer Seele und einer Persönlichkeit.

Schwanger und keine Lust auf Yoga? Voll okay!

Das ist sau-anstrengend, keine Frage.

Und als ich mir diese Höchstleistung erst mal verdeutlicht hatte, konnte ich gedanklich aus dem Club der spirituellen Overachiever aussteigen. Am Montag morgen die Mails Mails sein lassen und an die Elbe fahren, um dort einen Minztee zu trinken. Mir endlich eine Heizdecke kaufen und hemmungslos darauf rumzuliegen, bis mir die Schweißperlen auf die Stirn treten. Auf den ewig gleichen Inhalt bei Instagram, meinem letzten bespielten Social Media Kanal, getrost pfeifen. Denn plötzlich waren andere Dinge noch viel wichtiger als fotografische Beweise der neuen Yoga Leggings oder dass ich in einem fancy Rawfood Restaurant zu mittag gespeist habe. Plötzlich ging es nur noch um: Maximales Wohlsein, innendrin. Nicht zeigen, was ich Tolles hab, kann oder esse, nach außen. Das tun, was Body, Mind & Soul gerade wollen. Sich nicht im den Sog des Noch-mehr-machen-müssens zu verlieren, sondern einfach mal hinzunehmen:

Das was gerade ist, ist gut so. Es gibt nichts zu erreichen.

Das Faulsein ist gut, das lange Schlafen ist gut, das kalorienhaltige Essen ist gut. Der Verzicht auf Vinyasa Yoga ist gut. Noch besser ist meine Kundalini-Schwangerschaftsklasse am Freitag morgen: In Zeitlupe mit dickbäuchigen Mums-to-be bewegen, ein wenig stretchen, singen, rumliegen. Nicht herausfordern, sondern nachspüren. Meine Hypno-Birthing-Meditationen darf bzw. soll man sogar im Liegen machen. Ist das nicht klasse?

Mein Körper, der heilige Tempel, der mein Baby beherbergt, wird mir das Weißmehl und den Zucker verzeihen, denn ich habe ihn davor lange Zeit sehr, sehr gut behandelt. Und natürlich gibt es immer noch genügend Nährstoffe, denn auch die allerschlimmste “Ich mag nicht kochen Phase” ist irgendwann vorbei. Bei mir war das ziemlich genau im dritten Monat. Und jetzt gibt es auch wieder alles, was du hier an Rezepten auf dem Blog so findest.

Und nach all diesen Learnings ist mein neues Mantra für die Zeit mit Baby im Bauch und danach mit Baby auf dem Bauch:

Komm ich heut nicht, komm ich morgen.

Das Mantra ist inspiriert von einem ZEIT Artikel, den ich kürzlich las. Dem berechenbaren Leben einfach mal “Adé” sagen und sich dem Nichtstun hingeben. Als “Artist der Gelegentlichkeit” auf dem ruhigen Meer des Lebens daherschippern. Mit der Sicherheit, dass morgen noch alles so ist wie gestern. Die Mails sind noch da und die Leute, die auf eine Antwort warten, auch noch. Ich plädoyiere für: Maximal einen Termin pro Tag. Denn schon der kann dir dermaßen auf den Pinsel gehen, dass du Stress empfindest. Und Stress, das wissen wir ja, mögen wir nicht. Und Babys im Bauch mögen Stress schon mal gar nicht, die merken das. An deiner flacheren Atmung, an der angespannten Bauchdecke, an dem Level an Cortisol in deinem Körper.

Und so versprach ich mir hoch und heilig, dass ich die Gelegentlichkeit mehr in mein Leben einziehen lasse. Dass die einzige Beständigkeit meine Liebe für mich selbst, meinen Mann und meine kleine Tochter sein soll und alles andere davon geprägt sein darf. Dass das große Mysterium “Mutter werden” mit Empfängnis und empfangen zu tun hat – nicht mit pushen und drücken und wollen. Dass Faulheit ein legitimer Zustand ist, genauso wie Kreativität oder Inspiration oder Tatendrang. Alles zu seiner Zeit eben.

Yours truly, Christina xx

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