Discover your inner light – Das Zusammenspiel von Geist, Gefühlen und Körper
Interview mit Yogalehrer und Autor Max Strom
Vor einigen Jahren stieß ich per Zufall auf das Buch „Das Herz des Yoga“ (engl. „A Life Worth Breathing“) und war angetan von der Art und Weise, wie der Autor Max Strom sein Verständnis von Yoga als Lebensweg vermittelt: klar ausgedrückt, für jeden nachvollziehbar, aus Erfahrung, tiefem Wissen und dem Herzen heraus. Sein Ansatz beschränkt sich nicht auf die körperliche Ebene; er stellt den Zusammenhang mit den inneren und emotionalen Facetten her. Nun, wo ich die Chance habe, an einem Workshop mit Max in Wiesbaden teilzunehmen, habe ich erneut zu seinem Buch gegriffen.
In „Das Herz des Yoga“ erläutert er, was hinter den „drei Säulen der Transformation“ steht: den Körper heilen, den Geist zur Ruhe bringen, Herz und Gefühle heilen. Basis sind Feststellung und Frage: „Wir verdienen es und sind letztlich dazu bestimmt, ein inspiriertes Leben zu führen, das sich über ein bloßes existenzielles Dasein erhebt. Warum also gelingt es so wenigen Menschen, echtes Glück und wahre Erfüllung zu finden?“ (S. 39)
Die drei Säulen im Überblick
Geist
Der Sturm in unserem Geist – verursacht durch mentalen Stress, durch Negativität und innere Monologe – kann mithilfe verschiedener Übungen zu einer Brise und schließlich zu Windstille führen. Zentraler Ansatz ist die Gegenwärtigkeit, die notwendig ist, um wirklich zu erfahren, was wir gerade erleben, sehen, hören, tun etc.
Gefühle
Gefühle beeinflussen unsere Entscheidungen, setzen sie in Handlung um oder ersticken sie. Gefühle schulen bedeutet, „[…], Ihr Leben an der Quelle Ihrer Handlungen zu verbessern und gewohnheitsmäßige negative Gefühle, die Ihnen Schaden zufügen, in höhere, Sie erhebende Gefühle zu transformieren.“ (S. 96)
Körper
Unser Körper steht für Gesundheit, Vitalität und Körperbeherrschung. Doch er lässt sich nicht losgelöst von den anderen Bereichen heilen. Wir müssen einen Zusammenhang zwischen Körper und spirituellem Leben herstellen, damit wir von innen und außen stark werden. Ignorieren wir die inneren Aspekte, werden wir zwar körperlich stärker und flexibler, bleiben oft aber unglücklich und deprimiert.
Unsere Gefühle fahren Achterbahn, der Geist ist zerstreut, der Körper ramponiert – drastisch gesprochen. Sollen diese drei Bereiche gesund sein (oder werden) und im Sinne eines erfüllten Seins miteinander harmonieren, müssen wir sie „reparieren“. Und für diese Reparatur gibt es einige Werkzeuge. Max liefert uns einen gefüllten Werkzeugkoffer – bedient Euch und sucht aus, was Ihr gebrauchen könnt! Die Kapitel seines Buches sind mit Übungen angereichert, die uns helfen können, Balance, Ruhe und Kraft in Geist, Gefühlen und Körper zu finden.
Max Strom ist Yogalehrer, Autor und Trainer. Er lebt in den USA. Weltweit inspiriert er Menschen und unterstützt sie in ihrer persönlichen Entwicklung. „Das Herz des Yoga“ kann ich jedem empfehlen, der tiefer in die Bedeutung des Yoga eintauchen möchte und dem es ein Anliegen ist, die Zusammenhänge zu erfassen.
Buch
Max Strom
Das Herz des Yoga
Kailash Verlag, München 2011, 279 S., € 17,99
ISBN: 978-3-424-63034-3
Max hält im Februar / März Workshops in Deutschland. In Wiesbaden gibt es neben einem Teacher Training Workshops zu den Themen Stressmanagement und Persönlichkeitsentwicklung, Brust- und Schulteröffnungen sowie Atemtechniken.
Für alle Interessierten, hier die Termine im Überblick:
„Indem wir unseren Intellekt lehren, ruhig zu werden, und lernen, still zu sein, können wir glücklicher, gesünder und emotional stabiler werden. Wenn wir ständig mit unseren Gedanken in die Zukunft schlittern oder bei Ereignissen der Vergangenheit verweilen, raubt uns das die Gegenwart“.
Photo by Sandy Kavalier
Im Vorfeld auf seinen Besuch in Deutschland, durfte ich ein Interview mit ihm führen.
Silke: Was steht hinter dem universellen Unterrichtsprinzip, das Du vertrittst?
Max: Erschaffen wir wirklich ein Umfeld, das Menschen aller Religionen, Atheisten und sogar Zyniker willkommen heißt? Würde sich eine Großmutter in Deiner Klasse wohlfühlen? Wie sieht es mit Soldaten aus? Die Praxis der „Inner Axis“ bezieht eine universelle Philosophie des wahren Lebens mit ein, Atemtechniken, Yogabewegungen und Meditation. Um Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu erreichen, unterrichte ich in meiner Muttersprache Englisch, ich setze kein Sanskrit ein. Das ist das Erste. Das Zweite ist: Auch wenn mein persönlicher, spiritueller Blick recht speziell ist, zwinge ich ihn meinen Schülern nicht auf. Ich vermittle meine Ansätze so, dass sie sowohl eine gläubige Person als auch ein Atheist verstehen und nachvollziehen kann. Z. B. verweise ich nicht auf Gott, sondern spreche von Aspekten, die mit Gott in Zusammenhang stehen: Vergebung, Dankbarkeit, Leidenschaft, Glück, wie man Trauer, Ärger, Depression usw. heilt. Das sind die Punkte, auf die ich mich fokussiere und ich denke, jeder kann – unabhängig von seinem spirituellen Pfad – davon profitieren. Ich verwende keine Sanskrit-Namen und chante auch nicht, weil das viele Menschen davon abhält, zur Praxis zurückzukehren. Meiner Meinung nach sind Namen nicht wichtig. Egal, wie ich die Sonne am Himmel nenne, sie wärmt die Haut jedes Menschen unabhängig von seinem Glauben. Das ist eine universelle Wahrheit. Ein gläubiger Mensch und ein Atheist haben beide genauso mit Stress zu tun, beide müssen lernen ihr Nervensystem zu kontrollieren und es zu heilen. Und beide müssen lernen zu vergeben.
Manchmal kann das etwas missverständlich sein, als würde ich den Ansatz vertreten, dass wir unsere Botschaft abschwächen sollten, um mehr Menschen zu erreichen. So ist es nicht. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Abschwächen, was einer Verwässerung der Botschaft gleichkommt, und Extrahieren, mit der wir sie auf den Punkt bringen. Wenn Du eine Botschaft extrahierst, lässt Du alles Unnötige weg und ziehst nur die wichtigste Essenz heraus, sodass sie wirkungsvoller wird, mehr nicht. Lasse das weg, was Menschen trennt, damit wir Menschen vereinen. Denn diese Welt braucht eine Vereinigung mehr als jemals zuvor.
Silke: Du hast einen umfassenden Ansatz, wie Yoga die Persönlichkeitsentwicklung unterstützt. Wie würdest Du das jemandem erklären, der noch nie mit Yoga in Berührung kam?
Max: Mein Ansatz richtet sich an Menschen aller Gesellschaftsschichten, aller Fitnesslevel, egal ob sie nun einen steifen Körper oder einen engen Terminplan haben. Meine Mission ist es, Menschen zu helfen, sich daran zu erinnern wer sie sind und zu was sie fähig sind, und ihnen Werkzeug an die Hand zu geben, das sie stark macht und ihnen ein sinnvolles Leben ermöglicht. Wir alle wissen, dass wir gestresst, ängstlich und/oder deprimiert werden können, wenn wir mental oder emotional aufgewühlt sind. Noch schlimmer, wir ziehen so unsere Familie und unsere Gemeinschaft mit herunter. Wenn wir uns aber täglich eine Stunde Zeit nehmen, uns auf unsere Intention zu besinnen, ein besserer Mensch zu werden und gleichzeitig unsere Gesundheit zu verbessern, heben wir nicht nur unser eigenes Leben auf eine höhere Ebene, sondern auch das unserer ganzen Gemeinschaft. „Inner Axis“ ist ein System, um uns persönlich weiterzuentwickeln. Es schenkt uns nicht nur Gesundheit, sondern auch eine Bedeutung. Es verändert nicht nur, wie wir fühlen, es verändert auch den Umgang mit anderen. Und das ist für mich unerlässlich für das Leben.
Silke: Du praktizierst seit etwa zwei Jahrzehnten Yoga. Woher nimmst Du die Motivation für Deine tägliche Praxis?
Max: Die Zeit fliegt nur so vorüber: Ich praktiziere seit 25 Jahren Yoga und unterrichte seit 20 Jahren. Aus Erfahrung weiß ich, dass Yoga mich niemals enttäuscht; das ist meine tägliche Motivation. An Tagen, an denen ich mich zur Praxis zwingen muss – was mitunter vorkommt, wenn ich unter Druck stehe oder nach meinen Fernreisen unter Jetlag leide – erinnere ich mich daran, dass ich mich anschließend so viel besser fühlen werde. Keine Frage. Nicht nur besser, sondern einfach fantastisch. Außerdem weiß ich, dass mein Verhalten anderen gegenüber und mein Umgang mit ihnen auf einem viel höheren Level stattfindet, wenn ich mit mir selbst im Reinen bin, d. h. meine Praxis wirkt sich auch positiv auf meine zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Ich bin dann weniger reaktiv, sondern vielmehr proaktiv und mitfühlend.
Silke: Du bist ein gefragter Lehrer, Trainer und Autor. Wie sieht ein Tagesablauf in Deinem gewohnten Umfeld aus, wenn Du nicht auf Reisen bist?
Max: Aktuell lebe ich auf dem Land in Maryland, USA. Seit Hunderten von Jahren wird die Region landwirtschaftlich bewirtschaftet und das Haus, in dem ich lebe, wurde 1812 erbaut – was ziemlich alt ist für Amerika. Es ist also sehr ruhig und friedlich dort, was ich nach meinen regelmäßigen Reisen in Großstädte auch brauche. Ich ziehe das Land der Stadt vor und mag die Zeit hier sehr gern. Aber wenn ich zuhause bin, habe ich – auch wenn ich meine Yogapraxis genieße – immer sehr viel Arbeit. Ich verbringe viel Zeit am Computer und beantworte E-Mails aus der ganzen Welt, vor allem kommuniziere ich mit den Organisatoren der Veranstaltungen, die ich leite.
Retreats, Konferenzen, Yogacenter und Kooperationen – jede Veranstaltung bedeutet eine Menge Planung und Kommunikation. Meine Teacher Trainings haben ebenso viel mit dem Inneren wie mit dem Äußeren zu tun – um das Training mit der Zeit weiterzuentwickeln und zu verbessern, braucht es eine Menge Zeit. Ich habe während der vergangenen zwölf Jahre auch zwei Bücher geschrieben und arbeite gerade an einem neuen. D. h. ich verbringe zuhause viel Zeit mit arbeiten, aber das ist eine völlig andere Art der Arbeit als die zu unterrichten. Unterrichten ist mein Lieblingspart, der Rest unterstützt dies.
Silke: Wer oder was inspiriert Dich in Deinem Leben?
Max: Meine Inspiration kommt aus meinem tiefsten Wissen, dass es in dieser Welt eine außerordentlich gütige und intelligente Kraft für das Gute gibt. Dafür gibt es viele Namen. Mein Geist, mein Körper und vor allem mein Herz wenden sich dieser gütigen Kraft zu. Das bezeichne ich als die „Inner Axis“.
Auch meine Praxis inspiriert mich, v. a. die vom Atem geführten Bewegungen, die zur Meditation werden. Schließlich kommt meine Inspiration von den Menschen, die ich liebe und die mich lieben, von meinen Schülern, wenn ich beobachte, wie sie mithilfe unserer gemeinsamen Arbeit zu sich selbst finden.
Silke: Eine ganz praktische Frage zum Abschluss: Jemand spürt, dass sein Geist enorm unruhig und in seinem Leben eine wichtige Entscheidung fällig ist. Kannst Du eine Übung empfehlen, mit der sich Klarheit schaffen lässt, um eine Entscheidung treffen zu können?
Max: Wenn mich eine wichtige Entscheidung überfordert und verwirrt, dann meistens deshalb, weil ich Mehreres durcheinanderbringe. Ich denke, dass eine Entscheidung mehr beinhaltet als nur einen Aspekt. Der erste Schritt wäre also die Themen im Geist zu trennen. Wenn jemand bspw. eine Situation verlassen möchte, wie einen Job, eine Beziehung o. a., kann es mehr Möglichkeiten geben als nur zu bleiben oder zu gehen. Es mag ein Problem geben, dass sich lösen lässt und wo das Bleiben die bessere Wahl ist. Manchmal kollidieren mehrere Dinge miteinander. Nimm dir die Zeit, sie voneinander zu trennen und sie zu verstehen.
Außerdem verwende ich den „Schaukelstuhl-Test“: Wenn Du im Alter im Schaukelstuhl auf der Veranda sitzt und auf Dein Leben zurückblickst, wie möchtest Du Dich gern an Dein Leben erinnern? Hast Du Dein Bestes gegeben? Bist Du stolz auf die Entscheidungen, die Du getroffen hast? Waren Deine Entscheidungen moralisch und dienten sie dem Wohle der Allgemeinheit? Warst Du ehrlich zu Dir selbst? Ein alter Mann sagte einmal: „Wenn Du versuchst Dich zwischen zwei Dingen zu entscheiden, ist die schwierigere Entscheidung vermutlich die richtige.“