Cannabis-Legalisierung: Drei schlechte Vorbilder

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21.02.2024 08:00:00

Die deutsche Bundesregierung arbeitet an einer Teil-Legalisierung von Cannabis, der aktuelle Gesetzentwurf dafür erinnert allerdings an schlechte Vorbilder andernorts: Die Legalisierungen in Kanada, Kalifornien und Uruguay straucheln. Oft sind komplexe Regeln und Vorschriften Schuld. Sie lassen den Schwarzmarkt weiterhin attraktiver erscheinen als die offiziellen Angebote.

Mit dem Cannabisgesetz (CanG) will die Ampelkoalition in Deutschland unter anderem den Kinder- und Jugendschutz sowie Aufklärung und Prävention verbessern. Zudem soll der illegale Markt eingedämmt werden.

Denn Fakt ist: Obwohl Cannabis heute rechtlich auf einer Stufe mit Kokain und Heroin steht, verbreitet sich Marihuana in der Bevölkerung stetig.

Eine Untersuchung der Heinrich-Heine-Universität hatte etwa gezeigt, dass im Jahr 2018 knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung zumindest einmal Cannabis ausprobiert hatte. Noch 1995 war es nur gut jeder zehnte Bundesbürger. Die Studie zu dem Schluss: „Zusammengefasst geben diese Daten Grund zur Annahme, dass nicht nur die Zahl derjenigen, die bereits Cannabis konsumiert haben, angestiegen ist, sondern auch mehr Menschen Cannabis regelmäßig konsumieren.“

Anstatt diesen Milliardenmarkt weiterhin illegalen Quellen zu überlassen, haben andere Länder und Regionen bereits vor Jahren Cannabis kontrolliert eingeführt. Das umfasst dann Vorschriften zur Qualität des Produkts oder auch wie, wo und von wem es legal erworben werden kann.

Drei internationale Beispiele zeigen dabei zugleich: Die Legalisierung kann ihre Ziele nicht erreichen, wenn ihr zu viele Steine in den Weg gelegt werden.

Kanada

Die Legalisierung startete in Kanada im Jahr 2018. Für das Jahr 2022 vermeldete die kanadische Statistikbehörde Statistics Canada Umsätze von 3,1 Milliarden Kanadischen Dollar (2,2 Milliarden Euro). Kanada ist mit etwa 40 Millionen Einwohnern ungefähr halb so groß wie Deutschland. Hochgerechnet ergibt das also gut 4,4 Milliarden Euro.

Mit Stand 2023 gibt es landesweit rund 3.600 lizenzierte Cannabis-Einzelhandelsgeschäfte und 970 lizenzierte Cannabisproduzenten in Kanada.

Das klingt zunächst nicht schlecht, aber die Branche hat schwer zu kämpfen. Schon der Start war holprig: Anfangs gab es zu wenig Angebot für die Nachfrage, später viel zu viel Angebot. Viele Hoffnungen und Pläne der Hersteller und Shops haben sich nicht erfüllt, wie die BBC berichtet.

So hat etwa das Unternehmen Canopy Growth sein millionenschweres Hauptquartier an Ontario wieder an den ursprünglichen Besitzer zurückverkauft – den Süßwarenhersteller Hershey Canada. Und die Konkurrenten von Aurora Cannabis aus Alberta bauen nun auch Orchideen an. Laut Cannabis Council of Canada ist nur etwa ein Fünftel der Hersteller profitabel.

Fachleute und Industrievertreter sehen eine Überregulierung von Cannabis als das entscheidende Problem an. Kanada versucht sich an dem Spagat eine überlebensfähige neue Industrie aufzubauen und zugleich keine Anreize für neue Konsumenten zu schaffen.

Deshalb darf Cannabis zwar verkauft, aber nicht beworben werden. Als Verpackung sind nur offiziell lizensierte, neutrale Varianten erlaubt. Die Shops haben getönte Scheiben, um den Innenraum zu verbergen. Zugleich müssen sie hohe Gebühren zahlen.

Darüber hinaus ist etwa die Stärke der offiziell verkauften Produkte begrenzt. Edibles vom Schwarzmarkt haben einen höheren THC-Gehalt und einen geringeren Preis. Kanadas Department of Public Safety schätzte daher, dass Ende 2022 weiterhin ein Drittel des Cannabismarktes auf illegale Quellen entfällt.

Kalifornien

Der westliche US-Bundesstaat hat eine ähnliche Einwohnerzahl wie Kanada. Seit 2018 ist hier Cannabis für den Freizeitkonsum erhältlich. Medical Cannabis gab es schon vorher und die Hürden für eine entsprechende Medical Cannabis Card waren denkbar gering: Der Antrag ließ sich beispielsweise innerhalb von Minuten am Strand in Venice oder im „Cannabus“ in San Francisco erledigen.

Fürs erste Halbjahr 2023 vermeldete die Industrie „steuerpflichtige Kannabisumsätze“ im Wert von knapp 2,6 Milliarden US-Dollar. Dies beinhaltet alle Produkte, die in den Shops verkauft werden, also auch Zubehör. Hochgerechnet auf Deutschland und umgerechnet in Euro ergibt das knapp 10 Milliarden Euro im Jahr. Im Vergleich zu anderen Regionen der USA ist das ein schlechter Wert. Rechnet man etwa die Umsätze in Michigan entsprechend um, ergeben sich satte 26 Milliarden Euro.

Woran liegt es? In Kalifornien gibt es beispielsweise nur rund 1.200 Abgabstellen („Dispensaries“) – nur ein Drittel der Zahl aus Kanada. Ein Grund dafür wiederum ist eine Besonderheit des kalifornischen Legalisierungsgesetzes: Städte und Counties (Landkreise) können Dispensaries untersagen. Und davon machen 61 Prozent Gebrauch.

Als weitere Probleme werden die zu komplexe Bürokratie und eine übermäßige Besteuerung genannt. So wird eine Flasche Wein beispielsweise mit 4 US-Cent Verbrauchssteuer belegt, 3,5 Gramm (eine Achtel Unze) Cannabis hingegen mit 4,90 US-Dollar. Hinzu kommen lokale Steuern für Anbau, Herstellung, Vertrieb und Verkauf. Schätzungen gehen davon aus, dass über die gesamte Produktkette hinweg bis zu 50 Prozent des Nettopreises an Steuern hinzukommen können.

Ergebnis: Der illegale Markt ist vermutlich weiterhin doppelt so groß wie der legale. Die Umsätze der Dispensaries sind in den letzten zwei Jahren sogar geschrumpft. Hunderte könnten schließen. 15 Prozent der Hersteller haben ihre Lizenzen allein in diesem Jahr zurückgegeben. Investoren sehen den kalifornischen Cannabismarkt als „brutal“ und „toxic“ an.

Uruguay

In Uruguay war der private Besitz von Cannabis nie verboten, aber offizielle Kanäle für den Erwerb gab es nicht. Das änderte sich im August 2014: Seitdem dürfen die Einwohner bis zu sechs Pflanzen selbst anbauen, können Cannabis Social Clubs beitreten oder eine offizielle Cannabis-Abgabestelle aufsuchen.

Die Umsetzung allerdings verlief schleppend. Erst 2017 gab es die ersten Abgabestellen in örtlichen Apotheken. 

Eine weitere Hürde: Cannabiskäufer müssen sich offiziell registrieren und hatten bislang nur zwei Sorten zur Auswahl, die jeweils nicht mehr als 9 Prozent THC-Gehalt hatten. Zum Vergleich: In den USA sind 20 bis 30 Prozent THC-Gehalt durchaus marktüblich. 

Seit Dezember 2022 gibt es nun eine weitere Cannabissorte mit höherem THC-Gehalt von bis zu 15 Prozent, was offenbar zu einem deutlichen Anstieg des Interesses geführt hat. Das Instituto de Regulación y Control del Cannabis (IRCC) berichtet etwa, dass sich die Verkaufsmenge von Januar 2022 auf Januar 2023 um 56 Prozent gesteigert hat.

Laut Angaben des IRCC waren zum 30.06.2023 insgesamt 86.207 Personen für den Zugang zu Cannabis über eine der drei Zugangswege registriert. Die Zahl der Cannabiskonsumenten in Uruguay wird allerdings auf insgesamt 260.000 Personen geschätzt. Das bedeutet: Nur ein Drittel bezieht seine Produkte zumindest gelegentlich aus offiziellen Quellen, der Rest entfällt weiterhin auf den Schwarzmarkt.

Gute Vorbilder

Soll der legale Cannabismarkt besser funktionieren als der Schwarzmarkt, muss das Produkt attraktiv sein, einen guten Preis haben und leicht erhältlich sein.

In den USA haben inzwischen 23 der 50 Bundesstaaten sowie der District of Columbia Cannabis vollständig legalisiert. Erfolgreich scheinen etwa die US-Bundesstaaten Michigan, Colorado und New Mexico.

Für eine Prognose zum deutschen Cannabismarkt haben wir deren Umsätze in Euro umgerechnet und auf die deutsche Bevölkerung hochgerechnet. Die Ergebnisse:

  • New Mexico: 19,7 Milliarden Euro
  • Colorado: 24,5 Milliarden Euro
  • Michigan: 26,0 Milliarden Euro

Zum Vergleich: Die deutsche Bierindustrie hat einen Jahresumsatz von gut 20 Milliarden Euro.

New Mexico beispielsweise hat die Schwelle für die Cannabisindustrie bewusst niedrig angelegt. Die Branche hat deshalb seit dem Start der Legalisierung im April 2021 einen enormen Boom erlebt. Gut 2.000 lizensierte Unternehmen gibt es in der Branche und derzeit über 600 Verkaufsstellen bei gerade einmal 2,1 Millionen Einwohnern. 

In Colorado wiederum scheint nach fast 10 Jahren Cannabislegalisierung der Schwarzmarkt deutlich zu schrumpfen. So vermeldete die Polizei der Hauptstadt Denver einen neuen Minusrekord bei illegalem Marihuana. Stellte sie 2014 noch rund 4,3 Tonnen Marihuana sicher, waren es 2022 nur noch 1,1 Tonnen – ein Minus von gut 74 Prozent. „Denver ist der Goldstandard für die Regulierung von Cannabis und weltweit führend“, erklärte Bürgermeister Michael Hancock.

Fazit

Wenn hochfliegende Geschäftspläne in Kanada und Kalifornien auf dem Boden der Tatsachen landen, dann hat das sicher auch mit zu hohen Erwartungen zu tun. So manche kanadische Firma hoffte beispielsweise auf internationale Verkäufe. Die aber gibt es kaum, da Genusscannabis in den meisten Ländern weiterhin verboten bleibt. Allein mit medizinischen Produkten können die Kanadier punkten: So hat etwa die deutsche Cannabisagentur Lizenzen für Medical Cannabis an zwei kanadische Unternehmen sowie das deutsche Start-up Demecan gegeben.

Zugleich zeigt sich: Wer den offiziellen Markt attraktiv gestalten will, darf ihn nicht durch bürokratische Überregulierung und hohe Steuern abwürgen. Colorado und andere erfolgreiche US-Bundesstaaten können hier wiederum als gute Vorbilder dienen.

Themen: Cannabis