Milliardenmarkt: Potenzial der Cannabis Legalisierung in Deutschland
Die Legalisierung von Cannabis in Deutschland könnte einen milliardenschweren Markt schaffen, neue Steuereinnahmen bringen und zugleich für Einsparungen bei Polizei, Justiz und Behörden sorgen. Eine Übersicht.
Bei der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis in Deutschland wird bisweilen vergessen, dass es dafür bereits einen Markt mit Milliardenumsätzen gibt – teils für medizinische Zwecke, aber überwiegend illegal. Er wächst stetig, trotz aller Versuche ihn einzudämmen.
Eine umfassende Legalisierung würde zum einen dafür sorgen, dass sich Konsumenten auf die Qualität des Produkts verlassen könnten. Auch Prävention, Jugendschutz und andere wichtige Themen ließen sich besser anpacken.
Zum anderen würde es legitimen Unternehmern die Chance eröffnen, Arbeitsplätze in dieser Branche zu schaffen.
Und da sich Polizei und Gerichte deutlich seltener mit Cannabis beschäftigen müssten, würden hier potenziell Einsparungen möglich.
Was aber bedeutet das konkret, auch im Vergleich zu anderen Industrien?
27.000 Arbeitsplätze
Eine detaillierte Studie des Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) an der Heinrich-Heine-Universität hat dazu interessante Zahlen geliefert. Die Wissenschaftler haben sich für ihre Prognosen und Einschätzungen an Daten und Erfahrungswerte aus anderen Regionen der Welt orientiert, in denen Cannabis bereits legalisiert ist. Dazu gehören etwa Kanada und der US-Bundesstaat Colorado.
Laut dieser Studie könnten in der deutschen Cannabiswirtschaft 27.000 legale Arbeitsplätze entstehen. Das könnte dem Staat zugleich über 500 Millionen Euro an Sozialbeiträgen und fast 300 Millionen Euro mehr Lohnsteuer einbringen.
Die prognostizierte Zahl der Beschäftigten entspricht dabei fast exakt den deutschen Brauereien: 27.900 waren es hier im Jahr 2022. Im deutschen Weinbau sind es etwa 17.000 Personen in Vollzeit. In der Tabakindustrie knapp 7.500.
Milliarden für den Fiskus
Damit nicht genug: Eine Cannabissteuer könnte nach den Einschätzungen der Studie 1,8 Milliarden Euro im Jahr einbringen. Weitere 735 Millionen Euro kämen von Körperschafts-, Gewerbe- und Umsatzsteuern.
Zugleich sehen die Wissenschaftler erhebliche Einsparpotenziale bei Strafverfolgung und Justiz. Nach ihren Schätzungen würden bei der Polizei mehr als 1 Milliarde Euro pro Jahr eingespart und bei Gerichten immerhin mehr als 300 Millionen Euro. Das deckt sich mit Zahlen, die sich in der Begründzung zum Entwurf des deutschen Cannabisgesetzes finden: Dort wird beispielsweise von 225 Millionen Euro Einsparpotenzial bei den Gerichten ausgegangen.
Alles zusammengenommen ergibt laut der Studie ein Plus für den Staatshaushalt von 4,7 Milliarden Euro.
Kritiker bezweifeln diese Zahlen allerdings, vor allem in CDU-geführten Bundesländern.
400 Tonnen „Genuss-Cannabis“ pro Jahr
Den deutschen Markt für „Genuss-Cannabis“ schätzt die Düsseldorfer Studie auf 380 bis 420 Tonnen pro Jahr ein. Bei einem durchaus marktüblichen Basispreis von 10 Euro pro Gramm entspräche dies also 3,8 bis 4,2 Milliarden Euro Brutto-Umsatz.
Im Vergleich dazu liegt der Umsatz mit Bier in Deutschland bei gut 20 Milliarden Euro. Der Umsatz mit Zigaretten lag im Jahr 2022 bei 21,9 Milliarden. Am ehesten vergleichbar ist die Schätzung für Cannabis mit der deutschen Weinindustrie: Die setzte 2022 knapp 3,2 Milliarden Euro um. Spirituosen kommen auf knapp 2,5 Milliarden Euro.
Allerdings ist die Rechnung mit 10 Euro pro Gramm eine starke Vereinfachung. So werden Produkte wie zum Beispiel Edibles, Öle oder Tinkturen nicht mit einbezogen, deren Preise noch einmal deutlich höher ausfallen können. Nicht einberechnet ist zudem der Markt des Cannabis-Zubehörs wie etwa Vaporizer als Alternative zum Joint oder Gerätschaften für den Eigenanbau.
Insofern dürfte der Cannabis-Gesamtmarkt in Deutschland für alle damit verbundenen Produkte und Angebote noch einmal deutlich größer ausfallen.
Offen ist dabei, wie viel Prozent dieses Umsatzes auf einen legalisierten Markt entfallen würden. Einen Ansatz dafür liefern Erfahrungswerte aus den USA, ermittelt in jenen Bundesstaaten, die Marijuana inzwischen erlauben. Die folgenden Durchschnittswerte gelten für Cannabiskäufe pro Monat:
- 4 Gramm von Verkaufsstellen für Genusscannabis („Recreational“ oder „Adult-use“)
- 2,7 Gramm von Verkaufsstellen für medizinisches Cannabis
- 3,3 Gramm von Familie und Freunden
- 3,6 Gramm von Drogenhändlern
Offizielle und inoffizielle Quellen sind hier also nahezu gleichauf und teilen sich damit das Marktpotenzial. Nicht enthalten ist in diesen Zahlen allerdings der Eigenanbau von Cannabis.
Ein warnendes Beispiel für Deutschland ist Kalifornien, wo der illegale Markt nach fünf Jahren Legalisierung weiterhin doppelt so groß ist wie der offizielle – hohe Steuern und viel Bürokratie gelten als einige der Gründe. Ähnlich in Uruguay: Strikte Vorschriften und eine schleppende Umsetzung standen hier dem Erfolg im Weg. Auch dazu gleich mehr.
Cannabiskonsum wächst im Verborgenen
Bei alledem ist der Cannabiskonsum in Deutschland in den letzten Jahren gewachsen. Eine frühere Untersuchung der Heinrich-Heine-Universität hatte etwa gezeigt, dass im Jahr 2018 knapp ein Drittel der deutschen Bevölkerung zumindest einmal Cannabis ausprobiert hatte. Noch 1995 war es nur gut jeder zehnte Bundesbürger.
Besonders die jüngeren Generationen sind dem Gras gegenüber aufgeschlossen. Laut der Studie hatten knapp ein Viertel der 18- bis 24-Jährigen in den letzten 12 Monaten mindestens einmal Cannabis konsumiert. Bei den 25- bis 29-Jährigen waren es immerhin noch 16 Prozent. In den Altersgruppen über 30 Jahre fällt diese Zahl dann schnell ab.
„Cannabis ist die mit Abstand am weitesten verbreitete illegale Substanz in Deutschland“, heißt es daher auch in der Studie.
Während knapp 7 Prozent der Gesamtbevölkerung Cannabis in den letzten 12 Monaten konsumiert haben, sind es bei anderen illegalen Substanzen wie Kokain, Amphetaminen oder MDMA nur gut 1 Prozent.
Noch deutlicher fallen die Zahlen aus, wenn danach gefragt wird, ob eine Person die Droge zumindest ein einziges Mal im Leben ausprobiert hat: Cannabis liegt hier, wie oben erwähnt, bei etwa 30 Prozent, andere illegale Substanzen hingegen gerade einmal bei 4 Prozent.
Beim Konsum in den letzten 12 Monaten haben sich die Zahlen zugleich deutlich nach oben entwickelt. In der Altersgruppe von 18 bis 59 Jahren gaben das im Jahr 1995 nur 4,4 Prozent der Befragten an. 2018 waren es bereits 7,9 Prozent.
Die Studie kommt zu dem Schluss: „Zusammengefasst geben diese Daten Grund zur Annahme, dass nicht nur die Zahl derjenigen, die bereits Cannabis konsumiert haben, angestiegen ist, sondern auch mehr Menschen Cannabis regelmäßig konsumieren.“
Markt für medizinisches Cannabis boomt
Ein anderes Indiz dafür, wie sich der Cannabiskonsum in der Bundesrepublik entwickelt, ist der medizinische Markt. Seit 2011 sind cannabishaltige Medikamente in Deutschland zugelassen. Seit 2017 können Ärzte unter bestimmten Bedingungen Cannabisblüten und -extrakt über ein „Betäubungsmittelrezept“ verschreiben.
Im Jahr 2018 betrug der Umsatz mit solchen Arzneimitteln 74 Millionen Euro, drei Jahre später waren es bereits 185 Millionen Euro. Hinzu kommt eine Dunkelziffer: Für Selbstzahler und Privatpatienten liegen keine gesicherten Zahlen vor. Auch gesetzlich Krankenversicherte können sich schließlich medizinisches Cannabis verordnen lassen – auf eigene Kosten. Nach Einschätzung der Fachanwaltskanzlei Gleiss Lutz könnte dieser Wert sogar höher liegen als die oben genannten 185 Millionen Euro.
Zugleich hat die Cannabisagentur als offizielle Koordinierungsstelle der Regierung sowohl Anbau, Ernte als auch Verbreitung von Cannabis zu medizinischen Zwecken erlaubt. Dazu vergab sie Lizenzen an zwei kanadische Unternehmen sowie das deutsche Start-up Demecan. Die seit 2019 produzierten Mengen reichen allerdings bei Weitem nicht aus: Allein im Jahr 2021 wurde Cannabis in Form von getrockneten Blüten und Extrakten im Umfang von rund 20,6 Tonnen aus EU-Staaten wie den Niederlanden oder Drittstaaten wie Kanada importiert – fast das Zehnfache der in Deutschland hergestellten Menge von etwa 2,6 Tonnen.
Nach Einschätzung von Analysten ist Deutschland bereits heute der größte Cannabismarkt in Europa.
Blick ins Ausland
Ein Gefühl für den zukünftig möglichen Markt gibt zudem der Blick ins Ausland. Wir haben uns in Ländern und Regionen umgesehen, in denen Cannabis bereits legal ist. Wie groß sind diese Märkte?
Kanada
In Kanada lag der Umsatz mit legalem Cannabis im 4. Quartal 2018 bei umgerechnet rund 120 Millionen Euro. Das war zum Start der Legalisierung. Im 3. Quartal 2021 waren es laut der kanadischen Statistikbehörde Statistics Canada bereits rund 750 Millionen Euro. Für das Jahr 2022 vermeldeten sie Umsätze von 3,1 Milliarden Kanadischen Dollar (2,2 Milliarden Euro). Kanada ist mit etwa 40 Millionen Einwohnern ungefähr halb so groß wie Deutschland. Hochgerechnet ergibt das also gut 4,4 Milliarden Euro – sehr dicht an den Prognosen der oben zitierten Düsseldorfer Studie.
Schaut man sich aber beim südlichen Nachbar USA um, ergibt sich noch einmal ein anderes Bild.
New Mexico
Im US-Bundesstaat New Mexico ist Cannabis seit April 2022 für Erwachsene legal und in lizensierten Geschäften („Dispensaries“) erhältlich. Medizinisches Cannabis war bereits seit 1978 versuchsweise eingeführt – Vorreiter in den USA. Andere Bundesstaaten folgten. 2007 schließlich überführte New Mexico das Experiment in ein neues Gesetz und Medical Cannabis ist weiterhin für bestimmte Diagnosen erhältlich.
Im ersten Monat der Legalisierung machte „Medical Cannabis“ nach offiziellen Angaben einen Umsatz von 17,3 Millionen US-Dollar und „Adult-Use Cannabis“ von 22,1 Millionen US-Dollar. Knapp anderthalb Jahre später im September 2023 waren es rund 13,7 Millionen US-Dollar für medizinische Zwecke (-21%) und 34 Millionen US-Dollar für den Freizeitkonsum (+53%).
New Mexico hat dabei nur 2,1 Millionen Einwohner, in etwa vergleichbar mit Hamburg (1,9 Millionen). Hochgerechnet auf Deutschlands Bevölkerung entsprächen allein die Umsätze mit Freizeitcannabis rund 13,7 Milliarden Euro. Medizinisches Cannabis würde noch einmal knapp 6 Milliarden hinzufügen.
Allerdings dürfte Cannabis-Tourismus hier ein wichtiger Faktor sein: Texas mit seinen knapp 30 Millionen Einwohnern ist New Mexicos Nachbar im Osten und hier ist Cannabis weiterhin illegal.
Ein Beispiel zeigt, welche kuriosen Auswirkungen das haben kann: Das Städtchen Sunland Park (17.000 Einwohner) hat die zweithöchsten Umsätze mit Cannabis in New Mexico, nur übertroffen durch Albuquerque (560.000 Einwohner), der größten Stadt des Bundesstaats. Der Grund: Sunland Park liegt in direkter Nachbarschaft zu El Paso (Texas) und Ciudad Juárez (Mexico), wo zusammengenommen mehr Menschen leben als in New Mexico insgesamt. 19 Dispensaries gibt es in diesem Ort bereits und 16 weitere sind in Planung. Der größte Cannabisshop namens „Fields of Dreams“ ist ein ehemaliges Autohaus und hat eine Verkaufsfläche von 650 Quadratmetern. Sunland Park hört inzwischen auf den Spitznamen „Little Amsterdam“.
Colorado
Der US-Bundesstaat Colorado, New Mexicos nördlicher Nachbar, hat Cannabis bereits 2014 legalisiert. Im ersten Jahr betrug der Umsatz 684 Millionen US-Dollar bei 5,8 Millionen Einwohnern. Der Höhepunkt war 2021 erreicht mit 2,2 Milliarden US-Dollar. Seitdem sind die Zahlen rückläufig. Sicher auch weil Cannabis in der Zwischenzeit in weiteren Staaten legalisiert wurde. 2022 waren es aber noch immer knapp 1,8 Milliarden US-Dollar. Umgerechnet in Euro und hochgerechnet auf Deutschlands Bevölkerung entspräche das beeindruckenden 24,5 Milliarden Euro.
Colorado ist dabei auch ein interessanter Fall, um sich einen Kritikpunkt der Legalisierungsgegner in Deutschland genauer anzuschauen: Steigt der Cannabiskonsum, wenn die Droge frei erhältlich ist? Die wissenschaftliche Studie der Uni Düsseldorf fand dafür keine Belege.
So sei zwar der Cannabis-Konsum in Colorado nach der Legalisierung gestiegen. Das sei aber auch schon vor der Legalisierung der Fall gewesen. Positiv sei zugleich, dass der Konsum in der Altersgruppe zwischen 12 und 17 Jahren seit der Legalisierung zurückgegangen ist. Das ließe sich als ein Zeichen werten, dass eine Legalisierung tatsächlich beim Jugendschutz hilft. Und das ist eine der Begründungen der Ampelkoalition für ihren Gesetzesvorstoß.
Kalifornien
San Francisco als Synonym für die Hippiekultur hatte schon lange vor der Legalisierung von Cannabis im Jahr 2016 eine aktive Szene. Wer es offiziell halten wollte, konnte sich innerhalb von Minuten eine Karte für Medical Cannabis besorgen – wortwörtlich im Vorbeigehen.
Seit 2018 wird nun auch in Kalifornien für den Freizeitkonsum offiziell verkauft. Im Vergleich zu anderen US-Bundesstaaten sind die Zahlen aber bescheiden.
So ist Kalifornien mit knapp 40 Millionen Einwohnern so groß wie Kanada und damit ebenfalls etwa halb so groß wie Deutschland. Fürs erste Halbjahr 2023 vermeldete die Industrie „steuerpflichtige Kannabisumsätze“ im Wert von knapp 2,6 Milliarden US-Dollar. Dies beinhaltet alle Produkte, die in den Shops verkauft werden, also auch Zubehör. Hochgerechnet auf Deutschland und umgerechnet in Euro ergibt das knapp 10 Milliarden Euro im Jahr.
Schaut man sich die Umsätze pro Einwohner an, ist Kalifornien zugleich der schwächste Markt unter allen US-Bundesstaaten mit legalem Cannabis. Beim Spitzenreiter Michigan sind die Werte mehr als doppelt so hoch.
Ein Problem in Kalifornien: 61 Prozent der Städte und Counties (Landkreise) verbieten den Verkauf von Cannabis. Deshalb gibt es in Kalifornien insgesamt nur 1.216 Dispensaries. Das viel kleinere Colorado hat 1.529.
Die komplexe Bürokratie und aggressive Besteuerung werden als weitere Hürden genannt. Schätzungen gehen davon aus, dass über die gesamte Produktkette hinweg bis zu 50 Prozent des Nettopreises an Steuern hinzukommen. Auch deshalb ist der illegale Markt vermutlich weiterhin doppelt so groß wie der legale Markt. Die Umsätze der Dispensaries sind in den letzten zwei Jahren sogar geschrumpft.
Michigan
Medizinisches Cannabis ist im US-Bundesstaat Michigan seit 2008 erlaubt, Genusscannabis seit 2018. Im Jahr 2022 erreichten die Umsätze hier knapp 2,3 Milliarden US-Dollar. Gut 2 Milliarden entfielen auf Genusscanabis, knapp 300 Millionen auf Patienten. Und der Boom ist ungebrochen: Eine Steigerung auf 3,3 Milliarden US-Dollar wird für dieses Jahr erwartet. Michigan hat gut 10 Millionen Einwohner.
Hochgerechnet auf die deutsche Bevölkerung und umgerechnet in Euro ergäbe dies rund 26,0 Milliarden Euro Umsatz. Dies bezieht sich wohlgemerkt nur auf den legalen Markt.
Neben der 6 Prozent Sales Tax kommen bei Genusscannabis noch weitere 10 Prozent Sondersteuer hinzu. Aus dieser Marihuana-Steuer konnte die Finanzbehörde von Michigan im Jahr 2022 immerhin 59,5 Millionen US-Dollar an Städte, Gemeinden und Landkreise verteilen.
Uruguay
Uruguay hat seit Dezember 2013 ein Gesetz, das Genusscannabis erlaubt. Seit August 2014 dürfen die Einwohner bis zu sechs Pflanzen selbst anbauen, können Cannabis Social Clubs beitreten oder eine offizielle Cannabis-Abgabestelle aufsuchen, wofür sie sich allerdings vorab registrieren müssen.
Die Umsetzung hatte sich lange verzögert: Erst seit 2017 gibt es die Abgabestellen in örtlichen Apotheken. Und die boten lediglich zwei Cannabis-Sorten mit nicht mehr als 9 Prozent THC-Gehalt an. Zum Vergleich: In den US-Märkten sind 20 bis 30 Prozent THC-Gehalt marktüblich.
Darüber hinaus nahmen zunächst im ganzen Land gerade einmal 12 Apotheken daran teil. Hauptgrund waren offenbar Sicherheitsbedenken.
Seit Dezember 2022 gibt es nun eine weitere Cannabissorte mit höherem THC-Gehalt von bis zu 15 Prozent, was offenbar zu einem deutlichen Anstieg des Interesses geführt hat. Das Instituto de Regulación y Control del Cannabis (IRCC) berichtet etwa, dass sich die Verkaufsmenge von Januar 2022 auf Januar 2023 um 56 Prozent gesteigert hat.
Laut Angaben des IRCC waren zum 30.06.2023 insgesamt 86.207 Personen für den Zugang zu Cannabis über eine der drei Zugangswege registriert (Abgabestellen, private Anbauer, Cannabis Clubs). Das teilt sich auf wie folgt:
- Abgabestellen: 61.129
- Eigenanbau: 14.592
- Cannabis Clubs: 10.486
Im ersten Halbjahr 2023 haben 35.469 registrierte Käufer mindestens einmal Cannabis in einer Apotheke gekauft. Der durchschnittliche Monatskonsum pro Käufer lag im ersten Halbjahr 2023 zwischen 14 und 17 Gramm. Die meisten Käufer (ca. 50%) kauften monatlich bis zu 10 Gramm. Etwa 20% der Käufer kauften monatlich mehr als 20 Gramm.
Insgesamt 1,8 Tonnen Cannabis wurden im ersten Halbjahr 2023 über Apotheken verkauft. Hochgerechnet auf ein Jahr und die deutsche Bevölkerung entspräche das 87,8 Tonnen. Wendet man den deutschen Preis von 10 Euro pro Gramm Cannabis an, ergeben sich daraus somit 878 Millionen Euro. Alle diese Werte liegen deutlich unter der Prognose für Deutschland. Zu vermuten ist, dass die strikten Begrenzungen bei den Sorten, die Anmeldepflicht und die spärlichen Abgabestellen hier eine wichtige Rolle gespielt haben.
Das zeigt sich an einem anderen Fakt: Die Zahl der Cannabiskonsumenten in Uruguay wird auf insgesamt 260.000 Personen geschätzt. Wie oben erwähnt: Nur gut 86.000 sind offiziell registriert – knapp ein Drittel. Der Rest entfällt weiterhin auf den Schwarzmarkt.
Keine schnelle Legalisierung in Sicht
Kalifornien kann als ein warnendes Beispiel für Deutschland angesehen werden. Den aktuellen Entwurf fürs Cannabisgesetz (CanG) kritisieren Industrievertreter wegen seiner zahlreichen und komplexen Regeln und Grenzen. Der Dachverband Deutscher Cannabis Social Clubs hatte ihn etwa als „verfassungswidrig überstreng und vermeidbar kompliziert“ abgelehnt. Und der Branchenverband der Cannabis-Wirtschaft zweifelt, dass sich damit der illegale Markt zurückdrängen lasse.
Die bescheidenen Produktionsmengen beim medizinischen Cannabis machen zudem eines deutlich: Bis zu den oben erwähnten 400 Tonnen Jahresbedarf für Freizeitkonsumenten wäre es ein weiter Weg. Eine umfassende Legalisierung von Cannabis in Deutschland würde somit sicherlich nicht von heute auf morgen den gesamten illegalen Markt umfassen können.
Startschwierigkeiten hatte etwa Kanada: Dort waren 2018 zwar genügend Cannabisblüten vorhanden, aber nur wenige staatliche Abgabestellen. Ein Großteil der Produktion fand zunächst keine Abnehmer. Inzwischen hat sich diese Situation verbessert.
Fürs erste ist der kommerzielle Anbau und Verkauf von Cannabis in Deutschland allerdings sowieso vom Tisch. Das kommende Cannabisgesetz (CanG) sieht derzeit nur den Eigenanbau sowie Cannabis Clubs („Anbauvereinigungen“) als offizielle Bezugsquellen vor.
Eine umfassendere Legalisierung könnte im Rahmen von Modellregionen ausprobiert und wissenschaftlich begleitet werden. Das soll Erkenntnisse liefern, um eine spätere Umsetzung mit Zahlen und Fakten belegt anzugehen. Zudem könnten diese Versuche als Argumentationshilfe auf EU-Ebene und darüber hinaus dienen.
Denn auch wenn Cannabis inzwischen in mehreren Ländern und Regionen auf verschiedene Weise legalisiert wurde, ist die Droge auf internationaler Ebene weiterhin auf einer Stufe mit Heroin, Kokain und ähnlichen Rauschmitteln und Suchtstoffen.