Als meine Yogaliebe so richtig zu sprießen begann, war ich eine sehr folgsame Yogaschülerin. Nicht nur, dass ich mich wirklich absolut bemühte alles -und ich meine ALLES- richtig zu machen. Nein, ich legte mich fest. Und zwar mit Inbrunst. Denn gefiel mir eine Lehrerin oder ein Lehrer so richtig gut, dann hing ich an den jeweiligen Lippen und wollte künftig kein Wort mehr verpassen. So schaute ich im Internet, wann „meine“ Lehrerin im Studio ihre Weisheit und ihren Scharfsinn verstreute. Ich besuchte alle Klassen, die mit Job und Kinderschar möglich waren und bewunderte insgeheim Stil und Stimme, Anmut und Kraft, Kenntnis und Weisheit. Ich war verzaubert.
Eine unerwartete Änderung brachte mich aus dem Konzept
Diese Zeit war ganz wunderbar, denn ich war in einem besonderen Bann. Ich kannte die Lieblingsabfolgen der Asanas bald und auch die favorisierten Ausrichtungsprinzipien. „Meine“ Lehrerin und ich teilten die Vorliebe für die gleichen Lieblingsmusiklisten und ich fühlte mich wunderbar heimelig in der für mich noch neuen Yogawelt. Ich war eine sehr monogame Yogaschülerin. Die jeweiligen Lehrer belohnten mich mit anerkennendem Kopfnicken, was dazu führte, dass ich vollkommen selig war.
Irgendwann kam es dann, wie es kommen musste. Zweimal (!) hintereinander war „meine“ Lehrerin nicht da und ließ sich unangemeldet (!) von einer völlig Fremden (!) vertreten. Ich denke, hier teilt jeder mein Entsetzen. Nicht nur, dass die Neue sich eine andere Ecke des Raumes für ihre Matte aussuchte (und ich meine somit umlegen musste) – nein, sie machte auch noch alles anders. Die Abfolgen, die Musik, die Stimme – die ganze Stunde schien mir merkwürdig und falsch. Natürlich verspannte ich mich und ging schlecht gelaunt nach Hause. Ich bin nicht stolz darauf, aber es dauerte tatsächlich ein paar Tage bis ich klarer sah:
Meine Yoga-Monogamie hatte mich unflexibel gemacht
Und zwar so richtig. Ich brauchte nicht mehr nur noch mich, meinen Körper und die Matte unter mir – nein, ich war so fixiert auf bestimmte Personen, dass sie für „mein“ Yogaerlebnis unabdingbar schienen. Die arme Vertretungslehrerin hatte ihr Bestes gegeben, doch sie hatte keine Chance, denn ich war eingefahren und festgelegt. Und hier ist genau das, was passiert, wenn wir anfangen es uns zu bequem zu machen: Vor lauter Vorliebe weicht unsere Flexibilität. Was nur natürlich ist, denn jede Gewohnheit ist eine wunderbare Routine, entspannt und beruhigt.
Wie gut, denn gerade Yoga soll ja das für uns sein. Wir wünschen uns Ruhe für unseren Geist! Aber in der Routine gibt wenig Neues zu entdecken. Sie legt uns fest, denn wir erwarten, dass das kommt, was immer kommt. Und sind enttäuscht, wenn dem nicht so ist. Dabei sollte unser Geist doch frei sein und wir zufrieden den Moment genießen. Was für ein Dilemma. Mir jedenfalls war nach den zwei Stunden fremden Yogaunterrichts klar, dass sich was ändern musste. Und so kam es, dass ich mich entschied meine Monogamie zu beenden. Ich machte das, was man tun muss, wenn man sich festgelegt hat:
Ein Yoga-Flexiblitätstraining
Ich begann im Kleinen und besuchte bewusst Kurse von Lehrern, die ich nicht kannte. Gleiches Studio, andere Stimmen. Und entdeckte die Magie im Fremden! Unterschiedliche Anweisungen bei vermeintlich gleichen Asanas. Was mich erst verwirrt hat, fasziniert mich bis heute. Es gibt so eine Vielfalt an Lehrern da draußen und alle interpretieren Yoga ein ganz klein wenig anders als die anderen. Wie ein wunderbares Buffet voller Köstlichkeiten kann die Vielfalt anmuten, wenn man sich darauf einlässt. Wenn die Erwartungen sich nur noch darauf beschränken Yoga praktizieren zu wollen, egal zu welcher Musik und mit welcher Stilrichtung. Später begann ich auch andere Studios zu testen, zu Konferenzen zu fahren und die verschiedensten Lehrer kennen zu lernen. Die Vielfalt scheint grenzenlos! Die Flexibilität hat mich weiter gebracht. Ich habe mich getraut, Dinge zu hinterfragen und mehr auf meinen Körper zu hören. Wie genau der Winkel eines Fußes zu stehen hat, entscheidet heute mein Körper. Den Lehrer höre ich gerne, er kann mir Rat geben – aber das letzte Wort? Hat mein Inneres.
Übrigens habe ich neulich eine Stunde einer Freundin vertreten. Eine Schülerin sah mich entsetzt an. Ich konnte das „Oh nein“ förmlich in ihren Gedanken hören. Und dachte mir: ‘Flexibilitätstraining ist wichtig. Echt. Am besten sogar, wenn es unerwartet kommt’, und ich hatte plötzlich ziemlich gute Laune.
Für ein hervorragendes Beispiel in Sachen Flexibilität und noch mehr gute Laune empfehlen wir dir Eat, Pray, Love von Elizabeth Gilbert:
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