Von Tamas, Rajas und Sattva: Die Gunas im Yoga

Darf ich vorstellen? Mein Freund Tamas. In jedem Freundeskreis gibt es so einen.

Einen von dem man glaubt, ohne ihn sei es doch eigentlich auch schön. Der Typ, der eh nie mitkommt ins Schwimmbad, außer, es geht an den See mit viel Bier und fleischigem BBQ. Man hält sich von ihm fern so lang es geht, und plötzlich steht er vor der Tür mit einer riesigen Tüte Chips und ‘nem Six-Pack. Man schmunzelt über seine Plumpheit und irgendwie schätzt man seine charmante Hinnahme, dass er einfach so ist, wie er ist. Man bittet ihn hinein und da versinkt er auch schon im Sofa und hält die Fernbedienung in der Hand.

«Die Vergangenheit hat dich hier her gebracht. Heute ist morgen schon Vergangenheit. Doch das Jetzt gehört ganz alleine dir.»,

hat mir mal ein schlauer Mensch gesagt. Doch kann man noch so gesund leben, seine Gedanken schulen und durch Yoga in Balance bringen, Tamas wird man einfach nie so richtig los.

Die ersten Jahre in Yogahausen war ich besessen von der Idee, Tamas aus meinem Leben zu eliminieren.

Meine heimische ayurvedische Apotheke war bestens bestückt mit westlichen und östlichen Kleinigkeiten, die einen ins sattvische Licht katapultieren. Und tatsächlich, auf der eigenen körperlichen und geistigen Ebene kann man einiges tun, um Tamas weitestgehend fernzuhalten. Doch eines Tages klopfte die Realität an die Tür, um mich davon zu unterrichten, daß meine beste Freundin einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und in psychiatrischer Behandlung war. Bäm! Traf der Vorschlaghammer. Man kann sich vorstellen, wie sehr mich dieser Umstand beeinflusst hat, egal wie sattvisch ich lebte und dachte.

Die Gunas sind ALLES. Wirklich ALLES.

Es gibt so gut wie keinen rein sattvischen oder rein tamasischen Zustand. Und Rajas taumelt eh die ganze Zeit nur vom einen zum anderen. Die Gunas sind einfach größer als wir und spielen unendlich mit sich selbst. Die Zeit selbst ist einer ihrer Lieblingsspielplätze, und wenn man durch eine tamasisch dominierte Zeit geht, wird man mit ganz eigenen Herausforderungen konfrontiert: Plötzlich ist das Aufstehen anstrengender, obwohl im eigenen Lebensstil keine großen Veränderungen stattgefunden haben.  Dann prasselt es von außen nur so auf einen ein und man möchte am liebsten unter der Bettdecke bleiben. Die Psyche findet neue Tricks, sich fertig zu machen und die Welt wird schwer verständlich, man kann kaum hinhören und einfachste Aufgaben können auf den ersten Blick unüberwindbar erscheinen.

Doch dominieren lassen muss man sich davon nicht. Tamas ist generell nicht schlecht. Es ist das Gegenteil von Sattva. Dies ist die Welt der Gegensätze und hin und wieder ist etwas Tamas ganz hilfreich, um Erfahrungen von Glück und Zufriedenheit zu vertiefen. Genauso wie Knoblauch ganz gut helfen kann, wenn man seinen Magen-Darm-Trakt aufräumen möchte oder ein paar Fremdlinge eliminieren muss.

Mach dich nicht fertig!

Das allerwichtigste an dieser Stelle ist, wenn man knietief in der Dunkelheit steckt, das Verurteilen von sich selbst und das Zurückweisen von Tamas sein zu lassen. Es gibt Faktoren, die du nicht beeinflussen kannst! Tatsächlich bist du eigentlich schon wieder raus aus dem schlimmsten, wenn du Tamas erkannt hast. Denn Tamas ist unbewusst, vom Licht abgewandt und träge, Tamas ist «Avidya». Tamas kann sich selbst nicht erkennen. Nur Sattva und Rajas können das. Siehst du also, dass du zu viel mit Tamas rumhängst, ist das schwierigste schon geschafft und das Jetzt gehört wieder dir. Die anderen beiden Gunas sind ja auch noch da!

Selbst eine bio-chemisch tamasische Depression kann von einem sattvisch-rajassischem Blickpunkt erkannt werden. Jedenfalls, wenn du dich jetzt nicht runter machst, schon wieder auf Tamas reingefallen zu sein –das ist der tamasischste Teil von Rajas. Wenn du diesem Urteil glaubst, löst du dein Ticket zurück in die Ignoranz, in Frust und Aufgabe. Akzeptierst du stattdessen einfach den Umstand, kannst du dich langsam und stetig zurück bringen zu dir selbst und sattvischer mit den tamasischen Situationen umgehen. Deine Umwelt spiegelt nicht deinen aktuellen Zustand wieder, sondern den von eben, Vorgestern, meinetwegen auch von Vorleben.

Schaffst du es ein paar Stunden oder Tage lang immer wieder mal ein wenig, dir anzuschauen was da in dir ist, weshalb du ihm die Fernbedienung überlässt, dann kannst du Tamas das nächste Mal vielleicht einfach einen grünen Tee aufsetzen und ganz genau hinhören, was er in seinen Bart nuschelt. Und vielleicht findest du auf diese Weise auch noch etwas mehr Verständnis für dich selbst.

Weiterführende Lektüre: Was sind die Gunas?

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